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Hintergrund und jugendpastoraler Ansatz des Projektes
Oliver Heck, Stadtjugendreferent, Projektleiter an der Jugendkirche TABGHA

Inspiriert durch die phänomenale Ausstellung „I.N.R.I.“ in der Jugendkirche Oberhausen im Juni 2001 entstand in der Nachbereitung dieser - vor allem auch von Schulklassen und Jugendgruppen – hervorragend besuchten Schau im TABGHA-Team die Idee, den von der Künstlerin Bettina Rheims gewählten Ansatz, die „alte Geschichte“ des Lebens und Leidens Jesu mit modernen Mitteln (in diesem Fall der Fotografie) „neu“ zu erzählen, zur Grundlage eines ungewöhnlichen Projektes mit Jugendlichen zu machen. (Siehe auch Christ in der Gegenwart 40, 54. Jg., Freiburg 2002, S. 321, 328 und Christ in der Gegenwart im Bild 12/2002, 13. Jg., Freiburg 2002, S. 177-181, sowie Katechetische Blätter 1/2003, München 2003, S. 33-38.)

Im Gegensatz zu „I.N.R.I.“ sollte die Geschichte Jesu jedoch nicht mit professionellen Models an internationalen Schauplätzen wie Paris oder Mallorca dargestellt und übersetzt werden, sondern mit jugendlichen Laiendarstellern an prägnanten Orten in der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen selbst. Das zweifellos ehrgeizige Projekt erhielt den Titel „Jesus an der Ruhr“. Beibehalten wurde das Medium der Fotografie, das bei Jugendlichen eine hohe Attraktivität und Akzeptanz genießt. So ist der bereits erwähnte große Erfolg der „I.N.R.I.“-Ausstellung gerade auch bei einem jungen Publikum nicht zuletzt darauf zurück zu führen, dass die Künstler bewusst eine Bildsprache verwenden, die den Jugendlichen aus der Werbung und aus Videoclips vertraut ist. Sie bedienen somit positiv eingeübte Sehgewohnheiten und treffen den Nerv aktueller jugendlicher Ästhetik. Um diesen Standard auch auf „Jesus an der Ruhr“ zu übertragen, wurde ein professioneller Fotograf für die technische Umsetzung („die handwerkliche Ästhetik“) engagiert, der das Projekt begleiten sollte.

Nach einer etwas längeren und intensiven Phase der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit fand sich schließlich ein katholischer Religionskurs der Stufe 10 am Elsa-Brändström-Gymnasium Oberhausen, der das Projekt in Kooperation mit der Jugendkirche TABGHA durchführen wollte. Einige Jugendliche aus diesem Kurs gehörten seit Längerem zum Besucherkreis der Jugendkirche und waren so auf die Idee aufmerksam geworden. Außerdem hatte der gesamte Kurs im Jahr zuvor im Rahmen des Religionsunterrichtes die „I.N.R.I.“-Ausstellung besucht und inhaltlich behandelt. Dennoch standen vor der Entscheidung zur Teilnahme des Kurses ein ausführliches Gespräch und eine lebhafte Diskussion mit mir als Projektverantwortlichen der Jugendkirche sowie dem Kurslehrer Michael Kowertz. Anschließend war die Stimmung auf dieses Projekt hin dann ausgesprochen positiv und motiviert.

Absprache war, dass die Erarbeitungsphase (bis zum eigentlichen Foto-Shooting) innerhalb des Religionsunterrichtes in der Schule stattfinden sollte, während die Fotos im Anschluss daran nachmittags und am Wochenende (also in der Freizeit der Schüler) aufgenommen werden sollten. Von Seiten des Fachlehrers wurde betont, dass er die Leistungen der Schüler natürlich auch benoten würde.

Die erste Projekt-Phase bestand im Kennenlernen und Verstehen der „alten Geschichte“. Die Schüler befassten sich intensiv mit dem Evangelium, lernten die Lebens- und Leidensgeschichte Jesu kennen, definierten Schlüsselstellen sowie wesentliche Personen und Orte. Im Mittelpunkt ihrer Recherche stand dabei kein stures Auswendiglernen von Bibelstellen oder Gliederungen sondern ein neugieriges Entdecken und Hinterfragen von Sinnzusammenhängen und menschlichen Beziehungen. Denn am Ende dieses Prozesses stand die Frage: Welche Stelle des Evangeliums will ich mir zu eigen machen? Welche Geschichte will ich (neu) erzählen? Für welche Umsetzung übernehme ich die Verantwortung? Das heißt, es musste mehr passieren, als bloßes Verstehen des „alten“, für viele auch weit- gehend unbekannten Textes. Die Schüler mussten ihn in Beziehung setzen: zu ihrem eigenen Leben, zu ihren Interessen und Neigungen, zu ihren Sinn- und Deutungsmustern. So geschah im besten Sinne Aneignung.

Im nächsten Schritt entwarf jeder Schüler ein Konzept für die konkrete fotografische Umsetzung „seiner“ Bibelstelle; das „Neu-Erzählen“ begann:

- Was ist die Kernaussage „meiner“ Bibelstelle?
- Welchen Stellenwert hat sie im Gesamtkontext des Lebens und Wirkens Jesu?
- Was kann/soll sie uns heute sagen?
- Welche Personen sind wichtig?
- In welcher Beziehung stehen sie zu Jesus und zueinander?
- Wie kann ich die Personen heute zeigen (Rolle, Beruf, Kleidung, Image, Alter etc.)?
- Wie will ich Jesus darstellen? Ist er männlich oder weiblich, jung oder alt, strahlend hell gekleidet oder eher unauffällig?
- Wohin übersetze ich die Bibelstelle: an welchen Ort im Ruhrgebiet, in meinem Lebensumfeld?
- Welchen Einfluss hat der Ort auf die Aussage des Bildes, der Botschaft?

Die Konzepte wurden schriftlich gefasst. Hinzu kamen detaillierte Angaben über benötigte Ausstattungsgegenstände und Kleidungsstücke, Tageszeit, Wetterbedingungen, Darsteller und natürlich vor allem die „Location“, den Ort der Aufnahme. Alle Konzepte wurden noch innerhalb des Unterrichtes in der Kursgruppe ausführlich unter inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten diskutiert. Ideen wurden verworfen oder modifiziert, neue Anregungen wurden dankbar aufgegriffen und in die eigenen Entwürfe eingearbeitet. Schon diese Prozesse waren spannend zu verfolgen und von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Gesamtprojektes (in diesem Fall vor allem für die beteiligten Schüler selber).

Schließlich begann die zweite wesentliche Phase des Projektes: die Umsetzung. Alle „Regisseure“ hatten dafür Sorge zu tragen, dass zum vereinbarten Zeitpunkt und am vereinbarten Ort des Foto-Shootings alle benötigten Darsteller (zum Teil bis zu 15 Personen) sowie alle wichtigen Kleidungs- und Ausstattungsrequisiten vorhanden waren. Vor Ort kam es dann nicht selten zu weiteren intensiven Gesprächen, ja bisweilen sogar zu (letztlich fast immer fruchtbaren) Auseinandersetzungen zwischen den jugendlichen Regie-Verantwortlichen und dem Fotografen. Der genaue Ort des Fotos musste gefunden, die genaue Stellung der Personen geprobt, die richtige Position der Kamera gesucht werden. Dabei rangen schon mal die (manchmal nur schwer oder sogar gar nicht zu verwirklichenden) Ideen der Schüler mit dem professionellen Blick und der Erfahrung des Kameramanns.

Doch auch diese Prozesse unter Moderation der Projektleiter brachten zumeist für beide Seiten interessante Einblicke und Erkenntnisse in die Perspektive des jeweils anderen. Die Jugendlichen lernten, mit dem „Auge des Betrachters“ zu sehen und zu denken, der Fotograf lernte, die „Übersetzungsideen“ der Schüler zu verstehen und zu realisieren. Auf das Ergebnis sind nun alle Beteiligten gleichermaßen stolz.

Entstanden ist eine bemerkenswerte Bilderserie aus 26 großformatigen Motiven, die im Herbst 2002 als Ausstellung zunächst sechs Wochen lang in der Jugendkirche TABGHA und anschließend für vier Wochen im Elsa-Brändström-Gymnasium Oberhausen zu sehen war. Mittlerweile – im „Jahr der Bibel“ – wandert die Ausstellung durch unterschiedliche Einrichtungen und Kirchengemeinden im Ruhrbistum Essen. Ergänzt wurden die Bilder durch Fotos und Kommentare der Schüler sowie die entsprechenden Original-Bibelstellen.

Eine alte Geschichte neu erzählt – mit vielen positiven Erfahrungen sowohl für die Erzählenden wie auch für die Hörenden bzw. die Sehenden. Die einen – die 26 beteiligten Schüler – hatten viel Spaß an dem Projekt, waren sehr stolz auf den großen Erfolg ihrer Ausstellung und haben mehrfach bestätigt, dass sie selber auf einmal eine ganz andere Beziehung zu dieser „alten Geschichte Evangelium“ und zu diesem Menschen Jesus von Nazareth aufgebaut haben. Die anderen – die Besucher der Ausstellung – haben als Erwachsene einen Einblick gewonnen, wie Jugendliche heute Christsein verstehen und leben, haben als Jugendliche vielleicht neues Interesse am „Original“ gewonnen. Gelohnt hat sich dieses Projekt „Jesus an der Ruhr“ schon deshalb allemal!

Herausgeber
© Katechetisches Institut des Bistums Essen, Am Porscheplatz 1, 45127 Essen,
Januar 2003. Alle Rechte vorbehalten.