Hungertücher: Entstehungsgeschichte und Neubelebung
Seit 1976 erleben die Hungertücher bundesweit,
ja weltweit eine ungeahnte Renaissance - dank der Initiative des
Bischöflichen Hilfswerkes Misereor.
Doch die Hungertuch-Idee, die einem fast tausendjährigen
kirchlichen Brauch entstammt, kennt dagegen kaum jemand. Das Hungertuch
verhüllte das am Altar vollzogenen Mysterium und ermöglichte
eine augenfällige Abstinenz vom sichtbaren Mitvollzug am
heiligen Geschehen. Dieses "Fasten der Augen" wurde
ergänzt durch das "Fasten der Ohren". In der österlichen
Bußzeit ist es bis heute noch an manchen Orten üblich,
dass die Orgel und die Glocken schweigen.
Ursprünglich nur aus schmucklosem Linnen, wurden die Fastenvelen
bald mit reichem Bildwerk bestückt bzw. bemalt. Erste Beispiele
sind vier reich bebilderte Fastenvelen von St. Ulrich und Afra
in Augsburg. Diese zwischen 1126 und 1149 entstandenen Tücher
existieren zwar nicht mehr, sind uns aber aus einer Beschreibung
von 1493 gut bekannt. Die neuen Leinentücher wiesen ab dem
12. Jh. immer häufiger Bildmotive aus der Heilsgeschichte
des Alten und Neuen Testamentes auf.
Viele Gründe haben zum Verschwinden der Hungertücher
geführt. Am stärksten hat wohl der Einspruch Martin
Luthers dazu beigetragen, dass zahlreiche Formen katholischen
Brauchtums wie die Hungertücher in Vergessenheit geraten
sind.
Das von Misereor neubelebte Hungertuch will dabei nicht nur die
bildliche Darstellung der alten Fastenvelen vom eilshandeln Gottes
mit der Welt den Gläubigen während der Österlichen
Bußzeit nahebringen, sondern vom mit-vollziehenden heilshandeln
des Menschen für den Mitmenschen einladen.
Die Misereor-Hungertücher wollen eine "Botschaft von
draußen" vermitteln. Von läubigen Christen aus
Afrika, Asien und Lateinamerika gemalt, ermöglichen sie eine
Begegnung mit dem Leben und Glauben von Menschen und Christen
anderer Kulturen.- mehr.. |