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Stefan Lochners "Jüngstes Gericht", dessen Mitteltafel im Kölner Wallraf-Richartz-Museum ausgestellt ist, gilt als ein frühes Hauptwerk des Künstlers. Über den Künstler ist wenig bekannt, viel muss über seine Malweise erschlossen werden. Lochner ist zwischen 1400 und 1415 in Meersburg oder Konstanz am Bodensee geboren und 1451/52 in Köln gestorben. Zu seinen Hauptwerken gehören die Darstellung im Tempel (1447, Hessisches Landesmuseum Darmstadt), Maria im Rosenhag (1448, Wallraf-Richartz-Museum, Köln), der Dreikönigsaltar im Kölner Dom (um 1442). Man vermutet, dass das "Jüngste Gericht" ein Triptychon ist, zu dem als Mitteltafel zwei Flügel gehören, die heute im Frankfurter Städel und in der Alten Pinakothek in München hängen. Das Bild oben ist eine hypothetische Rekonstruktion des gesamten Triptychons. In der Artothek des rpi-virtuell steht aber der Mittelteil im Vordergrund der Betrachtung. Wirkung: Bezüglich der Wirkung dieses Gemäldetyps ist zu bedenken, dass das Motiv des Jüngsten Gerichts insbesondere in der Portalsplastik der Kathedralen als erste massenmediale Erscheinungsform gewertet werden kann. Wo immer man eine bedeutende Kathedrale betrat, wurde man auch mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts über dem Eingang der Kirche konfrontiert. Farben: Der Goldgrund, der auch Lochners Bild charakterisiert, ersetzte schon in den frühchristlichen Mosaiken die antike naturalistische Raumgestaltung. In der byzantinischen und mittelalterlichen Malerei charakterisierte er die überirdische, raumlose Sphäre der heiligen Gestalten. Erst sehr spät weicht der Goldgrund realistischeren Gestaltungen. Im Mittelalter dominiert die religiöse Farbensymbolik. Blau wird zur Symbolfarbe Marias, rot (wie Blut) sind Märtyrergewänder, Purpur charakterisiert Christus, er trägt einen Purpurmantel nach der Auferstehung. Grün ist u.a. die Farbe der Hoffnung, aber auch des Gewandes des Johannes. Erst mit Giotto und dann mit der Renaissnce verlieren die Farben ihre Symbolhaftigkeit zugunsten einer naturalistischen Auffassung. Texte: Der thronende Christus in den Wolken (Mt 24, 29-31; 25, 31-33; Offb. 1, 7; 20, 11-15), Posaune blasende Engel (Mt 24, 31), sich öffnende Gräber, aus denen die Toten auferstehen (Hes 37, 12; Dan 12, 2; Offb 20, 13) Deesis (Gebet, Bitte): Mit Deesis beschreibt man eine Bildkomposition mit Christus als Herrscher oder Richter zwischen den Bittenden Maria und Johannes dem Täufer. Die Deesis verbindet sich mit der Maiestas Domini und dem Jüngsten Gericht., wobei die Rolle von Maria und Johannes dem Täufer als Fürbitter der Menschheit hervorgehoben wird. In Darstellungen des Jüngsten Gerichts bleibt die Figurengruppe der Deesis vorherrschend bis in die Renaissance. |
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Das Bild erkunden I
Wenn man nun mit der Maus auf den Lichkegel geht, kann man ihn bei gedrückter linker Maustaste über das Bild ziehen. Man erschließt sich das Bild über Bilddetails. Wer das Gesamtbild noch nicht kennt, kann so versuchen, dem Aufbau und Sinn des Gemäldes nachzuspüren, wer das Gesamtbild kennt, wird zur Konzentration auf Details gezwungen. Wer das Bild als gesamtes sehen will, muss eine Taste der Tastatur drücken. Solange er etwa die Umschalttaste gedrückt hält, bleibt das Gesamtbild sichtbar. |
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Das Bild erkunden II
Interessant ist daran auch, dass die Bilderzählung natürlich ohne die farbliche Symbolisierung verstanden und nachvollzogen werden kann. Das Graustufenbild erfasst sozusagen den narrativen Kern des Geschehens, das, was man auch in Predigten oder Beschreibungen des Jüngsten Gerichts hören kann. Die Farbgestaltung bringt aber das - für den heutigen Betrachter oft nur schwer zu erfassende - Konotative mit hinein, die Nebenbedeutungen, die dramatischen Steigerungen, die optischen Hervorhebungen etc. Ein Bild erschöpft sich nicht in seinem Denotat, sondern lebt gerade von den durch die Farbgestaltung initierten Konnotationen. |
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Das Bild erkunden III
Franziska Happel hat das Bild dazu zunächst im Stil eines Puzzles zergliedert und zugleich die unmittelbare Wahrnehmung des Bildes verdeckt. Der Betrachter sieht ein abstraktes Puzzlebild mit je einer blauen, einer roten und einer grünen Fläche, sowie weitere unterschiedlich grau gefärbte Bildflächen. Der Klick auf die Flächen verändert das Bild nicht. Unter dem Puzzlebild erscheinen einige Begriffe und Namen: Jerusalem * die Geretteten * Maria * der Kampf * Christus * die Verlorenen * Johannes * Babylon * die Hölle * die Engel * die Wappen. Schon hier fällt die antithetische Bildung der das Bild beschreibenden Begriffe auf. |
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Man kann nun einzelne Elemente des Bildes aufdecken und in ihrer Bedeutung, ihrer Farbgestaltung oder ihrem Betrachterbezug erörtern. Auch Figurenkonstellationen lassen sich so darstellen. Die oben erläuterte Deesis etwa (Der thronende Christus mit Maria und Johannes dem Täufer als Fürbitter der Menschheit) lässt sich so auf einfache Art und Weise durch Anklicken aus dem Gesamtbild hervorheben und in ihrer Bildkomposition verdeutlichen (s. nebenstehende Abbildung). |
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Im vorliegenden Fall zeigt Lochner das Paradies als himmlisches Jerusalem mit einem reich gegliedertem Kirchenportal, das sicher nicht zufällig an die Kirchenportale seiner Zeit erinnert. Wer hier einzieht, ist gerettet. Im Gegenüber stellt er die Hölle als Abgrund bzw. Sumpf unterhalb einer brennenden Stadt dar, wodurch sich eine gegenläufige Bildbewegung ergibt: die Geretteten ziehen aus der Bildmitte nach links oben, die Verdammten aus der Bildmitte nach rechts unten. Blendet man an dieser Stelle Maria und Johannes aus, wird die scheinbar gnadenlose Differenz von Verheißung und Verwerfung deutlich. |
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Es ist leicht ersichtlich, dass die so beschriebene Bilderkundung nach ihren Bedeutungsgehalten auch unter veränderten Fragestellungen genutzt werden kann, etwa um der Rolle der Engel (einschließlich der gefallenen Engel) auf dem Bild nachzugehen. |
(c) Bildmodule: Franziska Happel (erstellt mit makromedia flash mx );Texte: Andreas Mertin |