Junge Menschen fotografieren in ihrem Alltag biblische Erzählungen

Wem opfert Abraham heute seinen Sohn? Wo begegne ich noch einem Brennenden Dornbusch? Wie gelingt es David die verheiratete Batseba zu erobern? Köpft Judit auch heute noch Holofernes? Wer wollte nicht immer schon in solchen Augenblicken dabei sein oder die Schlange fotografieren, wenn sie Eva veführt...

Nein, die Bibel ist nicht längst passé. Sie ist alles andere als ein altes verstaubtes Buch. Sie erzählt das Leben von Frauen und Männern mit ihren Hoffnungen und Wünschen, ihren Intrigen und Verfehlungen, ihrem Lieben und Glauben, begleitet von einem Gott, der DA ist - damals und heute. Die Bibel ist weitaus mehr als ein facebook, sie ist faithbook!

Im Religionsunterricht wollte ich mit meinen Schülerinnen und Schülern biblische Erzählungen des AT lesen und die jungen Menschen entdecken lassen, dass diese Geschichten über die Jahrhunderte, gar Jahrtausende hinweg ihre Aktualität behalten haben. Wie können wir biblische Texte verstehen, deuten und aktualisieren?

Ich bin begeistert von dem Jugend-Foto-Projekt "Jesus an der Ruhr". Regelmäßig verweise ich in meinem Unterricht auf diese Jesus-Bilder. Mit diesen Fotos wurde im Jahre 2003 auch der Ars Sacra Flügel der Artothek eröffnet. Somit liegt es nahe, ein ähnliches Projekt zu wagen.

Meine Schülerinnen und Schüler aus zwei 11er-Kursen im Athénée de Luxembourg und im Lycée Aline Mayrsich ließen sich in diesem Schuljahr 2007/2008 davon begeistern, biblische Erzählungen des Alten Testamentes zu fotografieren: Kein nachgestelltes Foto, wie Mose im Binsenkörbchen lag, sondern ein Foto, das zeigt, wo und warum eine Mutter ihr Kind aussetzen muss...
Die Bibel, ein fotografisches Glaubensbuch im Alltag, im konkreten Alltag von jungen Menschen in Luxemburg: faithbook.LU

Zur Umsetzung des Projektes habe ich das Konzept vom Projekt "Jesus an der Ruhr" übernommen (s. Oliver Heck - mehr..), das inspiriert war von der Ausstellung "I.N.R.I" von Bettina Rheims und Serge Bramly - mehr..

Die Jugendlichen waren allein bzw. im Team verantwortlich für das Fotoshooting eines Bibeltextes. Dem Shooting ging jedoch eine ausführliche und intensive Auseinanderstzung mit dem Text voraus. Diese Fragen führten sie vom Bibeltext zum Konzept ihres Fotos.

  1. Was ist die Kernaussage der betreffenden Bibelstelle?
  2. Welchen Stellenwert hat sie sonst in der Bibel?
  3. Was kann/soll sie uns heute sagen?
  4. Welche Personen sind wichtig?
  5. In welcher Beziehung stehen sie zueinander?
  6. Wie kann ich die Personen heute zeigen (Rolle, Beruf, Kleidung, Image, Alter etc.)?
  7. Wie will ich die Personen darstellen? Sind sie männlich oder weiblich, jung oder alt, strahlend hell gekleidet oder eher unauffällig?
  8. Wohin übersetze ich die Bibelstelle: an welchen Ort in Luxemburg, in meinem Lebensumfeld?
  9. Welchen Einfluss hat der Ort auf die Aussage des Bildes, der Botschaft?

Das theoretisch konzipierte Foto musste nun umgesetzt werden. Die jungen Regisseure, die gleichzeitig Fotografen waren wählten Darsteller und Requisiten aus, übten Mimiken ein und wählten Blickwinkel und Beleuchtung optimal aus. Auch mussten sie manchmal feststellen, dass sich das theoretische Konzept doch nicht so leicht umsetzen ließ...

Abschließend bat ich meine Schülerinnen und Schüler nach dem Fotoshooting noch einen kurzen Kommentar zu schreiben, der Brücke sein will zwischen dem Bibeltext und dem Foto. Foto und Kommentar sind in der Artothek veröffentlicht.

Jean-Louis Gindt, Mai 2008